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Zusatzurlaub für Schwerbehinderte -
Rund um Anspruch, Berechnung & Verfall

Schwerbehinderte Menschen haben gesetzlich einen Anspruch auf mehr Urlaubstage. Aber wie wird der zusätzliche Urlaub für Schwerbehinderte berechnet? Was geschieht bei Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft? Wann verfällt der Zusatzurlaub? Und was gilt bezüglich Urlaubsabgeltung?

Rollstuhlfahrer

▌Zusätzlicher Urlaub ab GdB 50

Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 gilt ein behinderter Mensch als schwerbehindert. Gem. § 208 SGB IX (bis zum 31.12.2017: § 125 SGB IX a.F.) steht ihm dann ein Anspruch auf Zusatzurlaub zu.

Gleichgestellte haben keinen Anspruch

Behinderte Menschen mit einem GdB 30 oder 40 können mittels Gleichstellungsanstrag Schwerbehinderten gleichgestellt werden. Diese Gleichstellung bewirkt zwar, dass sie von den meisten Rechten und Ansprüchen profitieren können, die sonst nur für Schwerbehinderte gelten. Allerdings fällt der Zusatzurlaub nicht hierunter (vgl. § 151 Abs. 3 SGB IX).

▌Wieviel zusätzliche Urlaubstage stehen einem Schwerbehinderten zu?

Gem. § 208 SGB IX (bis zum 31.12.2017: § 125 SGB IX a.F.) haben schwerbehinderte Menschen gesetzlich einen Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Hierbei geht das Gesetz von einer 5-Tage-Woche aus. Daher erhöht oder vemindert sich der Zusatzurlaub entsprechend, wenn der Arbeitnehmer mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Woche arbeitet.

Längerer Zusatzurlaub z.B. durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung möglich

Der gesetzliche Zusatzurlaub für Schwerbehinderte ist ein Mindestzusatzurlaub. Tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen können für schwerbehinderte Menschen auch einen längeren Zusatzurlaub vorsehen.

▌Berechnung des Zusatzurlaubs

Der gesetzliche Zusatzurlaub ergibt rechnerisch für den Schwerbehinderten immer eine zusätzliche freie Arbeitswoche. Abhängig von der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage besteht – sofern die Schwerbehinderung das gesamte Jahr vorliegt – folgender Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage:

  • 6 Tage-Woche = 6 Tage Zusatzurlaub
  • 5 Tage-Woche = 5 Tage Zusatzurlaub
  • 4 Tage-Woche = 4 Tage Zusatzurlaub
  • 3 Tage-Woche = 3 Tage Zusatzurlaub
  • 2-Tage-Woche = 2 Tage Zusatzurlaub
  • 1-Tages-Woche = 1 Tag Zusatzurlaub

Zusatzurlaub bei Eintritt  oder Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft erst im Laufe des Jahres

Pro Monat ein Zwölftel

Wenn die Schwerbehinderteneigenschaft erst im Laufe des Jahres eintritt oder während des Jahres endet, so hat der schwerbehinderte Mensch gem.  § 208 Abs. 2 SGB IX für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs.

Bruchteile von Urlaubstagen

Sofern sich bei der Berechnung Bruchteile von Urlaubstagen ergeben und diese mindestens einen halben Tag ergeben, werden diese auf volle Urlaubstage aufgerundet. Abrundungen finden nicht statt.

Berechnungsbeispiele:

Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1.7., 5 Tage-Woche
Schwerbehinderung ab dem 1.9.
→ Schwerbehinderung liegt im Beschäftigungsverhältnis in diesem Urlaubsjahr für 4 Monate vor (September, Oktober, November, Dezember)
► 5 Tage Zusatzurlaub x 4/12 = 1,66 ► Aufrundung: 2 Zusatzurlaubstage

Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1.7., 3 Tage-Woche
Schwerbehinderung ab dem 1.9.
→ Schwerbehinderung liegt im Beschäftigungsverhältnis in diesem Urlaubsjahr für 4 Monate vor (September, Oktober, November, Dezember)
► 3 Tage Zusatzurlaub x 4/12 = 1 Zusatzurlaubstag

Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1.8., 5 Tage-Woche
Schwerbehinderung bestand schon seit dem 1.4.
→ Schwerbehinderung liegt im Beschäftigungsverhältnis in diesem Urlaubsjahr für 5 Monate vor (August, September, Oktober, November, Dezember)
► 5 Tage Zusatzurlaub x 5/12 = 2,05 Zusatzurlaubstage ► keine Abrundung!

Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1.8., 3 Tage-Woche
Schwerbehinderung bestand schon seit dem 1.4.
→ Schwerbehinderung liegt im Beschäftigungsverhältnis in diesem Urlaubsjahr für 5 Monate vor (August, September, Oktober, November, Dezember)
► 3 Tage Zusatzurlaub x 5/12 = 1,25 Zusatzurlaubstage ► keine Abrundung!

▌Verfall, Übertragung und Abgeltung des Zusatzurlaubs

Der zusätzliche Urlaub für Schwerbehinderte unterliegt bzgl. des Entstehens und des Erlöschens denselben Voraussetzungen wie der  gesetzliche Mindesturlaub. Er erlischt daher ebenso mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. Ende des Übertragungszeitraums wie der normale Erholungsurlaub auch.

Zusatzurlaub muss gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich geltend gemacht werden

Der Zusatzurlaub muss vom Arbeitnehmer ebenso wie der normale Urlaub innerhalb des jeweiligen Urlaubsjahr ausdrücklich geltend gemacht werden. Geschieht dies nicht, erlischt er mit Ablauf des Jahres. Jedenfalls wenn ein Arbeitnehmer erstmals den zusätzlichen Urlaub verlangt, ist nach dem BAG (Urt. v. 28.01.1982 – 6 AZR 636/79) ein ausdrückliches Geltendmachen erforderlich. Das heißt, dass der Arbeitnehmer sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufen und außerdem verlangen muss, dass der Arbeitgeber ihm für ein bestimmtes Urlaubsjahr Zusatzurlaub gewährt.

Übertragung und Abgeltung des Zusatzurlaubs

Auch auf die Übertragung und Abgeltung des Zusatzurlaubs sind die Vorschriften für den gesetzlichen Mindesturlaub anzuwenden. Daher teilt der Zusatzurlaubsanspruch das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs (vgl. auch BAG, Urt. v. 13.12.2011 – 9 AZR 399/10). Ebenso wie sich ein Verfall des Urlaubs bei Langzeiterkrankung auf maximal 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres hinauszögert (siehe auch Beitrag: → Krankheit & Urlaub – praktisch unschön, rechtlich lösbar), muss der Zusatzurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch abgegolten werden. Ebenso haben Erben beim Tod des schwerbehinderten Arbeitnehmerns – wie beim gesetzlichen Mindesturlaub – einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Abgeltung des restlichen Schwerbehinderten-Zusatzurlaubs (siehe dazu auch Beitrag: → Urlaubsanspruch vererbbar – Auch Zusatzurlaub für Schwerbehinderte und tariflicher Mehrurlaub). Bei der Abgeltung im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnis muss aufgepasst werden: Es sind ggf. arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen zu beachten (siehe auch Beitrag: → Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag – Ansprüche können zeitnah verfallen!).

 


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