Arbeitsrecht Rechtsprechung | Urlaub | Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers

Urlaubsanspruch vererbbar -
Auch Zusatzurlaub für Schwerbehinderte und tariflicher Mehrurlaub

Nachdem der EuGH im November 2018 bereits entschieden hat, dass der Urlaubsanspruch vererbbar ist, hat nun auch das BAG (Urteil v. 22.01.2019 – 9 AZR 45/16) so geurteilt. Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers haben einen Anspruch auf finanzielle Vergütung gegenüber dem Arbeitgeber des Verstorbenen. Dieser Anspruch besteht nicht nur bzgl. des gesetzlichen Mindesturlaubs, sondern auch im Hinblick auf Zusatzurlaub eines Schwerbehinderten sowie tariflichen Mehrurlaub.

BAG, Urteil vom 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16

Der Fall:

Geklagt hatte eine Witwe, die Alleinerbin ihres Ehemanns ist, dessen Arbeitsverhältnis mit seinem Tod endete. Der verstorbene Ehemann hatte nach dem auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in jedem Kalenderjahr einen Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub. Darüber hinaus war der Ehemann anerkannt schwerbehindert, so dass ihm auch Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach dem SGB IX zustand. Die Witwe verlangte die Abgeltung des Resturlaubs ihres verstorbenen Ehemanns, der diesem zum Zeitpunkt seines Todes noch zustand.

Die Vorinstanzen hatten der Klage der Witwe stattgegeben. Die Revision des beklagten Arbeitgebers vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Der Neunte Senat des BAG urteilte, dass der nicht gewährte Urlaub des Erblassers abzugelten ist.

Die Argumentation des BAG:

Wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, haben dessen Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs.

Auslegung des Unionsrechts gebietet Abgeltung des Resturlaubs

Die nach dem europäischen Unionsrecht gebotene Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG ergibt, dass der Resturlaub auch dann abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Der EuGH hat entschieden, dass der durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) gewährleistete Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen darf, ohne dass ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub besteht, der im Wege der Erbfolge auf den Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers überzugehen hat (EuGH 6. November 2018 – C-569/16 und C-570/16 – [Bauer und Willmeroth]; siehe dazu bereits den Blog-Beitrag → „Tod des Arbeitnehmers – Vererbbarkeit des Urlaubsanspruchs„). Daraus folgt für die richtlinienkonforme Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG, dass die Vergütungskomponente des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaub als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse wird.

Abgeltungsanspruch umfasst auch Zusatzurlaub für Schwerbehinderte und tariflichen Mehrurlaub

Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasst dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG von 24 Werktagen, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF (seit 01.01.2018: § 208 SGB IX) sowie den Anspruch auf Urlaub nach § 26 TVöD, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. Dem TVöD lässt sich nicht entnehmen, dass dem Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers zugewiesen ist.


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