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Behinderter Bewerber -
BAG zur Entschädigung wegen Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch

Öffentliche Arbeitgeber müssen einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen, wenn dieser fachlich nicht offensichtlich ungeeignet ist (§ 82 S. 2 SGB IX a.F.; seit dem 01.01.2018: § 165 S. 3 SGB IX). Das Unterlassen einer Einladung ist ein Indiz iSv. § 22 AGG, das die Vermutung begründet, der Bewerber sei wegen seiner Behinderung nicht eingeladen worden. Kann der Arbeitgeber diese Vermutung nicht widerlegen, entsteht ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Das BAG (Urt. v. 23.01.2020 – 8 AZR 484/18) hat entschieden, dass ein volles E-Mail-Postfach als alleiniges Argument nicht geeignet ist, die Nichteinladung eines gleichgestellten Bewerbers zu rechtfertigen.

BAG, Urteil vom 23. Januar 2020 – 8 AZR 484/18

Der Fall:

Der Kläger hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 und eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Er bewarb sich Anfang August 2015 mit einer E-Mail auf eine ausgeschriebene Stelle im öffentlichen Dienst. Seine Bewerbung war mit dem deutlichen Hinweis auf seinen GdB und seine Gleichstellung versehen. Obwohl der Kläger fachlich für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet war, wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Der Kläger hat daraufhin mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Köln vom beklagten Land eine Entschädigung in Höhe von 7.434,39 € verlangt. Das beklagte Land hat im Prozess geltend gemacht, die Bewerbung des Klägers sei aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt. Der Kläger sei daher nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers vor dem Landesarbeitsgericht Köln war teilweise erfolgreich. Das LAG sprach dem Kläger eine Entschädigung iHv. 3.717,30 Euro zu. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes vor dem Bundesarbeitsgericht blieb im Ergebnis allerdings erfolglos. Der Kläger hat Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in der zugesprochenen Höhe.

Die Argumentation des BAG:

Das BAG entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG habe.

Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Bewerber müssen eingeladen werden

Geht einem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach § 82 S. 2 SGB IX a.F. (seit dem 01.01.2018: § 165 S. 3 SGB IX) zu einem Vorstellungsgespräch einladen.

Unterlassen der Einladung begründet allein keinen Entschädigungsanspruch…

Unterlässt der öffentliche Arbeitgeber die Einaldung zum Vorstellungsgespräch bei einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerber, der fachlich nicht offensichtlich ungeeignet ist, genügt diese Tatsache allein noch nicht, um eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zahlen zu müssen.

… ist aber ein Indiz für eine behinderungsbedingte Benachteiligung

Das Unterlassen der Einladung stellt jedoch ein Indiz iSv. § 22 AGG dar, das die Vermutung begründet, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt wurde.

Widerlegung der Vermutung einer Benachteiligung möglich, aber recht hohe Anforderungen

Die Vermutung, dass die Nichteinladung eine behinderungsbedingte Benachteiligung darstellt, kann der Arbeitgeber widerlegen.

Die Widerlegung dieser Vermutung ist dem beklagten Land im vorliegenden Fall jedoch nicht gelungen. Es konnte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Bewerbung nicht in seinen Geschäftsgang gelangt sei. Dass dem beklagten Land trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat es nicht vorgetragen. Das beklagte Land sei dementsprechend zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 5/20 des BAG vom 23.01.2020


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