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Krankheit und Urlaub -
Praktisch unschön, rechtlich aber lösbar

Hat der Arbeitnehmer Urlaub und wird er im Urlaub krank, ist das nicht nur ärgerlich, sondern auch arbeitsrechtlich relevant. Ein anderer Fall ist der, dass ein Arbeitnehmer langzeiterkrankt ist und wegen der Erkrankung seinen Urlaub nicht nehmen konnte. In beiden Fällen stellt sich die Frage, was mit dem Urlaubsanspruch des Erkrankten geschieht.

Kranke Frau mit Teetasse im Bett

▌Erkrankung während des Urlaubs oder vor Urlaubsantritt

Wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt oder vor Urlaubsantritt erkrankt und diese Erkrankung in den Urlaub hineinreicht, heißt das nicht automatisch, dass der Urlaub verloren sein muss.

Was geschieht mit dem Urlaubsanspruch?

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist in § 9 insoweit deutlich, was eine Erkrankung während des Urlaubs angeht:

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.

Das heißt: Die Tage, für die der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nachweisen kann, gelten nicht als genommener Urlaub. Er kann diese Tage daher erneut als Urlaub nehmen. Selbstredend muss er diese dann neu beantragen. Er muss daher nicht nur krank, sondern arbeitsunfähig sein und dies entsprechend nachweisen.

Achtung: Nachzugewährender Urlaub verfällt regulär

Zu beachten ist, dass der nachzugewährende Urlaub – von wenigen Ausnahmen abgesehen – den urlaubsrechtlichen Verfallsregeln zum 31.12. des Jahres bzw. dem 31.03. des Folgejahres unterliegt (vgl. § 7 Abs. 3 BUrlG).

Problem bei selbst verschuldeter Arbeitsunfähigkeit

Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit allerdings selbst verschuldet, bleibt sein Urlaubsanspruch für diese Zeit zwar bestehen. Er bekommt jedoch kein Entgelt, da er nicht arbeitet und auch keine Leistungen nach dem EFZG beanspruchen kann (vgl. § 3 EFZG).

Arbeitsunfähigkeit muss auch im Urlaub nachgewiesen werden

Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit hat durch Attest zu erfolgen, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf erneute Gewährung des Urlaubs haben möchte. Ohne ein Attest besteht dieser Nachgewährungsanspruch nicht. Insbesondere bei Erkrankung im Ausland können Probleme mit den dort ausgestellten Attesten auftreten! Generell genügen Atteste nur den Anforderungen des § 9 BUrlG, denen entnommen werden kann, dass der Arzt zwischen einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung und einer bloßen Erkrankung unterschieden hat.1
Für den Nachweis, der für einen Nachgewährungsanspruch erforderlich ist, sind Fristen gesetzlich nicht vorgesehen. Jedoch muss der Nachweis spätestens nach Ende des Urlaubs erfolgen.2 Zu beachten sind tarifvertragliche Sonderregeln.

Erkrankung vor Urlaubsantritt, die in den Urlaub hineinreicht

Nicht geregelt ist der Fall, dass der Arbeitnehmer vor Antritt seines genehmigten Urlaubs krank wird und die Erkrankung in den Urlaub hineinreicht. Insoweit wird jedoch davon ausgegangen, dass der Urlaub zu verschieben ist, wenn davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer nicht bis zum Urlaubszeitpunkt genesen wird.3

Was gilt bzgl. Krankmeldung und Vorlage einer AU-Bescheinigung bei Urlaub im Ausland?

Bei einer Erkrankung während eines Auslandsaufenthalts hat der Arbeitnehmer ebenso eine Meldepflicht und Nachweispflicht, wie sie ihn auch im Inland trifft.

Auch aus dem Urlaub im Ausland krankmelden

Die reine Krankmeldung beim Arbeitgeber (z.B. per Telefon) muss nach § 5 EFZG so schnell wie möglich erfolgen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer sich bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland aufhält. Gem. § 5 Abs. 2 S. 1 EFZG ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Fallen dem Arbeitnehmer dabei Übermittlungskosten an wie beispielsweise Telefonkosten für ein Auslandstelefonat, hat der Arbeitgeber diese Kosten gem. § 5 Abs. 2 S. 2 EFZG zu tragen. Wenn der Arbeitnehmer ins Inland zurückkehrt, während er noch arbeitsunfähig ist, muss er dies auch dem Arbeitgeber unverzüglich anzeigen. Zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer bei Auftreten einer Arbeitsunfähigkeit im Ausland auch Meldepflichten gegenüber seiner gesetzlichen Krankenkasse hat (vgl. § 5 Abs. 2 S. 3-7 EFZG).

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erforderlich

Der Arbeitnehmer muss – ebenso wie bei einer Erkrankung im Inland – dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung binnen geltender Frist (siehe dazu auch den Beitrag → Nachweis der Krankheit mittels AU-Bescheinigung) übermitteln.

Vereinfachtes Verfahren für die Nachweispflicht bei Erkrankung im EU-Ausland

Zu beachten ist, dass es bei einer Erkrankung im EU-Ausland nach der Verordnung EG VO 1408/71 ein vereinfachtes Verfahren für den Arbeitnehmer hinsichtlich der Nachweispflicht (Achtung: nicht hinsichtlich der Meldepflicht!) gibt. Statt dem Arbeitgeber die AU-Bescheinigung selbst zu schicken, kann der Arbeitnehmer diese im Ausland bei einer ausländischen Krankenkasse abgeben. Die ausländische Krankenkasse übermittelt die AU-Bescheinigung an die deutsche Krankenkasse des Arbeitnehmers, die dann wiederum den Arbeitgeber kontaktiert. Außerhalb der EU ist dieses vereinfachte Verfahren in Ländern möglich, in denen es entsprechende Sozialversicherungsabkommen gibt.

▌Urlaubsanspruch trotz Langzeiterkrankung

Auch eine Langzeiterkrankung, die verhindert, dass der Arbeitnehmer überhaupt Urlaub nehmen und antreten konnte, schließt seinen Urlaubsanspruch nicht aus.

Entstehen eines Urlaubsanspruchs bei Erkrankung

Wenn ein Arbeitnehmer über eine lange Zeit, z.B. das ganze Jahr, erkrankt und arbeitsunfähig war, ist sein Urlaubsanspruch für das Jahr trotzdem entstanden, selbst wenn er nicht gearbeitet hat. Solange die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit allerdings noch andauert, ist es dem Arbeitnehmer nicht möglich, diesen Urlaub auch faktisch zu nehmen.

Übertragung von Urlaub auf das Folgejahr „im Normalfall“

Wenn Urlaub „im Normalfall“ (also nicht bei Langzeiterkrankung) nicht bis zum Ende des Jahres genommen werden konnte, weil dringende betriebliche oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe eine Urlaubsnahme noch im Urlaubsjahr verhindert haben, verschiebt sich die zeitliche Grenze des Urlaubsanspruchs gem. § 7 Abs. 3 BUrlG vom 31.12. auf den 31.03. des Folgejahres. Wird der Urlaubsanspruch auf diese Weise in das Folgejahr übertragen, muss der Urlaub bis zum 31.03. gewährt und genommen werden. Bis zum 31.03., d.h. bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht genommener Urlaub verfällt dann ersatzlos.

Übertragung von Urlaub auf das Folgejahr bei Langzeiterkrankung

Die soeben dargestellte Rechtslage zur Übertragung galt früher auch bei Langzeiterkrankung. Im Jahr 2009 hat dann aber der EuGH entschieden, dass der Urlaubsanspruch langfristig erkrankter Arbeitnehmer nicht bei Ablauf des Übertragungszeitraums verfällt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres oder eines Teils davon krankgeschrieben war und tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen.4 Der Urlaubsanspruch bleibt daher über den 31.03. des Folgejahres hinaus bestehen. Der Arbeitnehmer kann also, wenn er wieder gesund ist, den Urlaub aus dem Vorjahr noch nehmen, auch wenn der gesetzliche Übertragungszeitraum eigentlich bereits abgelaufen ist.

Obergrenze für das Ansammeln von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren bei Langzeiterkrankung

Interessant wird es, wenn ein Arbeitnehmer so langfristig erkrankt ist, dass er Urlaubsansprüche aus mehreren Jahren ansammelt, also den Urlaub aus dem Vorjahr auch im Folgejahr oder gar in den Folgejahren krankheitsbedingt nicht nehmen kann. In diesen Fällen verlangt auch das Europarecht keine zeitlich unbeschränkte Aufrechterhaltung für die angesammelten Urlaubsansprüche. Eine zeitliche Grenze für das Ansammeln hat das Bundesarbeitsgericht dahingehend gesetzt, dass – unter Zugrundelegung einer europarechtskonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG – ein Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung generell 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.5 Das bedeutet, dass der Urlaub eines Urlaubsjahres zum 31.03. des übernächsten Jahres verfällt. Wenn auf ein Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag gilt, der einen längeren Übertragungszeitraum als 15 Monate vorsieht, gilt der längere Zeitraum für den Arbeitnehmer, da er für ihn günstiger ist.

Achtung: Nach dem BAG müssen langfristig erkrankte Arbeitnehmer ihren während der Erkrankung angesammelten Urlaub nach der Genesung im laufenden Urlaubsjahr nehmen.6 Der Rest-Urlaub ist mit Genesung also im laufenden Jahr zu nehmen und kann nicht unter Berufung auf die 15 Monats-Frist nach Genesung beliebig ins nächste Jahr übertragen werden.

Praxisbeispiel zur Übertragung:
Der AN erkrankt im Mai 2012 und ist bis Januar 2015 durchgehend arbeitsunfähig. Anfang Februar 2015 ist der AN wieder arbeitsfähig. Der Jahresurlaub aus 2012 verfällt zum 31. März 2014. Der Jahresurlaub 2013 verfällt zum 31. März 2015. Der Jahresurlaub 2014 verfällt spätestens zum 31. März 2016. Zum Zeitpunkt des Arbeitsantritts im Februar 2015 hat der AN also Resturlaubsansprüche für 2013 und 2014 und den neuen Urlaubsanspruch für 2015. Den 2013er-Urlaub muss er bis zum 31. März nehmen, da dieser sonst endgültig verfällt. Der neue 2015er-Urlaub muss bis zum 31.12.2015 genommen werden. Auch der 2014er-Urlaub muss bis zum 31. Dezember 2015 genommen werden (und kann nicht etwa bis zum 31. März 2016 „aufgespart“ werden)!

Übertragung von gesetzlichem Zusatzurlaub und vertraglichem Mehrurlaub bei Langzeiterkrankung

Der gesetzliche Mindesturlaub, der jedem Arbeitnehmer nach dem BUrlG zusteht, wird bei Langzeiterkrankung immer übertragen, wenn die Urlaubsnahme wegen der Erkrankung nicht möglich war. Auch der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gem. § 125 Abs. 1 SGB IX wird in diesen Fällen übertragen.7 Bei tarifvertraglichem oder arbeitsvertraglichem Mehrurlaub ist eine Übertragung davon abhängig, ob der Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag selbst eine Regelung enthält oder nicht. Wenn der Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag eine eigene Regelung zu Übertragung bzw. Verfall bei Langzeiterkrankung enthält, gilt diese Regelung. Enthält der Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag keine eigene Regelung, gilt das BUrlG und die Rechtsprechung des BAG, d.h. die 15-Monate-Regelung.

1 BAG, Urt. v. 19.02.1997 – 5 AZR 83/96.
2 BeckOK ArbR/Lampe BUrlG § 9 Rn. 4.

3 BeckOK ArbR/Lampe BUrlG § 9 Rn. 2.
4 Schultz-Hoff-Entscheidung, EuGH, Urt. v. 20.01.2009 – C-350/06.
5 BAG, Urt. v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10.
6 BAG, Urt. v. 09.08.2011 – 9 AZR 425/10.
7 BAG, Urt. v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09.
 

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