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Schwerbehinderung & Arbeitsassistenz -
Nach BVerwG auch Anspruch trotz anderweitiger Beschäftigung

Schwerbehinderte Menschen mit einem erheblichen Unterstützungsbedarf haben die Möglichkeit, sich von einer Arbeitsassistenz helfen zu lassen. Zur Finanzierung einer notwendigen Assistenz besteht ein Kostenübernahmeanspruch gegenüber den Integrationsämtern. Das BVerwG (Urt. v. 23.01.2018 – 5 C 9.16) hat entschieden, dass dem Kostenübernahmeanspruch nicht entgegensteht, dass der Arbeitnehmer bereits eine andere Teilzeitbeschäftigung ausübt. Die Notwendigkeit der Assistenz ist dadurch nicht ausgeschlossen.

BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 – 5 C 9.16

Der Fall:

Geklagt hatte ein blinder Mann mit einem GdB 100. Seit 2000 ist er Beamter im Dienste des luxemburgischen Staates. Bis zum Jahr 2013 reduzierte er diese Tätigkeit schrittweise auf 50%, um daneben eine von ihm 2008 gegründete Firma zu betreiben. Diese Firma vermittelt und managt Künstler. Hierfür begehrte der Kläger die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Die Kostenübernahme wurde vom Beklagten im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit abgelehnt: Die Kostenübernahme diene nämlich dem Abbau der Arbeitslosigkeit unter schwerbehinderten Menschen. Der Kläger sei indessen nicht arbeitslos. Er sei durch seine Berufstätigkeit als Beamter bereits in das Arbeitsleben integriert. Die nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage war in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das BVerwG entschied hingegen zugunsten des Klägers.

Die Argumentation des BVerwG:

Das BVerwG sah die anderweitige Teilzeitbeschäftigung nicht als Hindernis an. Nach § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. (§ 102 Abs. 4 SGB IX a.F.) haben schwerbehinderte Menschen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben. Die Notwendigkeit der Arbeitsassistenz ist nicht deshalb zu verneinen, weil der schwerbehinderte Mensch bereits einer anderen Teilzeitbeschäftigung nachgeht.

Abbau von Arbeitslosigkeit ist nicht das einzige Kriterium

Dem Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen im Rahmen der auf die Erwerbstätigkeit bezogenen Regelungen des Schwerbehindertenrechts kommt zwar eine wesentliche Bedeutung zu. Eine drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit des Schwerbehinderten stellen aber keine notwendigen Bedingungen für die begehrte Kostenübernahme dar.

Kostenübernahmeanspruch dient auch der Chancengleichheit im Arbeitsleben

Der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz dient auch der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben. Deshalb ist es – wie bei nichtbehinderten Menschen – grundsätzlich ihre Sache zu entscheiden, welchem Beruf sie nachgehen, ob sie diesem ihre Arbeitskraft vollumfänglich widmen oder ob sie diese anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzen. Es darf sich auch nicht zum Nachteil schwerbehinderter Menschen auswirken, wenn sie sich entscheiden, den Umfang einer ausgeübten Beschäftigung zu reduzieren oder den Arbeitsplatz bzw. Beruf zu wechseln und für die neue Tätigkeit eine Arbeitsassistenz zu beanspruchen.


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