Arbeitsrecht | Kind & Beruf | Schwangerschaft | Arbeitsverhinderung | Arzttermine und Untersuchungen

Schwangerschaft am Arbeitsplatz -
Arzttermine und Untersuchungen während der Arbeitszeit

Schwangerschaft bedeutet auch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen. Anders als bei „normalen“ Arztterminen gibt es hierfür konkrete gesetzliche Regelungen für den Fall, wenn der Termin beim Gynäkologen oder bei der Hebamme mit der Arbeitszeit kollidiert. Über das Mutterschutzgesetz (MuSchG) sind Freistellungsanspruch, Entgelt und verpasste Arbeitszeit geregelt. Was gilt im Einzelnen?

Schwangere Frau

▌Die Regelung des Freistellungsanspruchs

Gem. § 7 Abs. 1 MuSchG (bis zum 31.12.2017 § 16 MuSchG a.F.) muss der Arbeitgeber die Frau für die Zeit freizustellen, die zur Durchführung der Untersuchungen im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich ist.

Der Freistellungsanspruch besteht auch für privat Versicherte

Auch wenn § 7 Abs. 1 S. 1 MuSchG von „Untersuchungen im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung“ spricht, gilt der Freistellungsanspruch über § 7 Abs. 1 S. 2 MuSchG auch für Frauen, die nicht gesetzlich versichert sind.

Achtung: Treuepflicht gebietet es trotzdem, Termine vorrangig in der Freizeit wahrzunehmen!

Zu beachten ist allerdings, dass es die Treuepflicht der Arbeitnehmerin mit sich bringt, dass es ihr – falls dies ohne größere Schwierigkeiten möglich ist – zugemutet werden kann, Arzt oder Hebamme in der Freizeit aufzusuchen. Dies liegt in der Natur von Freistellungsansprüchen. Arbeitnehmer sind dazu angehalten, auch die Interessen und Belange ihres Arbeitgebers zu berücksichtigen und daher auch Arbeitsverhinderungen möglichst zu vermeiden. Der Freistellungsanspruch ist daher kein „Freifahrtsschein“ der Arbeit fernzubleiben. Die Schwangere muss sich ernsthaft bemühen, den Termin nach Möglichkeit in die Freizeit zu legen. Wenn dies nicht möglich ist, muss sie zunächst versuchen zumindest eine aus betrieblicher Sicht möglichst günstige Abwesenheitszeit zu wählen, z.B. außerhalb ihrer Kernarbeitszeit. Wäre eine Terminwahrnehmung in der Freizeit unproblematisch möglich, fehlt es nämlich bereits an der Erforderlichkeit für eine Freistellung.

▌Untersuchungen, die dem Freistellungsanspruch unterfallen

§ 7 Abs. 1 MuSchG spricht von „Untersuchungen im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft“.  Zu den Untersuchungen zählen u.a. notwendige und empfohlene Vorsorgeuntersuchungen, aber auch bereits der Untersuchungstermin zur Feststellung der Schwangerschaft. Die Untersuchung zur Feststellung der Schwangerschaft fällt auch unter § 7 MuSchG, wenn sich herausstellt, dass keine Schwangerschaft vorliegt. Welche Untersuchungen im Detail unter § 7 MuSchG fallen, regeln § 24d SGB V und die sog. Mutterschafts-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Leistungen nach § 24d SGB V

Gem. § 24d SGB V besteht während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung sowie auf Hebammenhilfe einschließlich der Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft und zur Schwangerenvorsorge. Dabei umfasst die ärztliche Betreuung auch die Beratung der Schwangeren zur Bedeutung der Mundgesundheit für Mutter und Kind. Bei Bedarf sind zudem auch Hinweise auf regionale Unterstützungsangebote für Eltern und Kind von der ärztlichen Beratung umfasst.

Konkretisierung durch die Mutterschafts-Richtlinien

Die genauen Einzelheiten, was dem Anspruch auf ärztliche Betreuung unterfällt, regeln die  Mutterschafts-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Nach den Mutterschafts-Richtlinien (Seite 3) sind solche Maßnahmen umfasst, die der Überwachung des Gesundheitszustandes der Schwangeren bzw. Wöchnerinnen dienen, die aber keine ärztliche Behandlung (iSd. § 28 Abs. 1 SGB V) darstellen. Im Einzelnen gehören hierzu beispielsweise Untersuchungen und Beratungen während der Schwangerschaft, frühzeitige Erkennung und besondere Überwachung von Risikoschwangerschaften, Ultraschalldiagnostik, Fruchtwasseruntersuchungen, serologische Untersuchungen auf Infektionen (z.B. Röteln, Hepatitis, Toxoplasmose etc.) usw.

Vom Freistellungsanspruch nicht abgedeckte Untersuchungen

Wird ein Termin gemacht, um feststellen zu lassen, dass man nicht schwanger ist (sog. Negativattest), unterfällt diese Untersuchung nicht § 7 MuSchG. Ebenso fallen – auch wenn gerade eine Schwangerschaft besteht – normale Arzttermine zur Feststellung oder Behandlung von Krankheiten nicht unter den Freistellungsanspruch des MuSchG.

▌Zeitlicher Umfang des Freistellungsanspruchs

Der Freistellungsanspruch umfasst nicht nur die reine Untersuchungszeit, sondern auch Warte- und Wegezeiten.

▌Ausübung des Freistellungsanspruchs

Kein Recht ohne Absprache mit dem Arbeitgeber der Arbeit fernzubleiben

Es besteht zwar ein Freistellungsanspruch für die Untersuchungstermine gem. § 7 MuSchG. Jedoch gibt dieser Freistellungsanspruch der Schwangeren nicht das Recht, ihrem Arbeitsplatz einfach fernzubleiben ohne dies mit dem Arbeitgeber rechtzeitig(!) kommuniziert zu haben. Wie bereits ausgeführt muss die schwangere Arbeitnehmerin bei der Vereinbarung von Untersuchungsterminen auf die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen. Arbeitnehmerin und Arbeitgeber müssen quasi eine Lösung finden, die für beide Seiten zumutbar ist.

Eigenmächtiges Fernbleiben von der Arbeit erst, wenn Arbeitgeber die Freistellung verweigert

Findet sich im Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin keine Lösung, obwohl die Schwangere wirklich versucht hat, sich mit dem Arbeitgeber abzustimmen, und verweigert der Arbeitgeber die Freistellung, darf die Schwangere von ihrem sog. Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, d.h. der Arbeit trotzdem fernbleiben und die Untersuchung vornehmen lassen.

▌Vergütungsanspruch und verpasste Arbeitszeit

Kein Entgeltausfall während der Freistellung

Gem. § 23 Abs. 1 S. 1 MuSchG (bis zum 31.12.2017 § 16 S. 3 MuSchG a.F.) darf durch die Freistellung der Schwangeren kein Entgeltausfall eintreten. Die Schwangere hat einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit. Behält der Arbeitgeber unerlaubterweise Lohn ein, kann die Schwangere ihren Entgeltzahlungsanspruch auf dem Klageweg vor dem Arbeitsgericht durchsetzen.

Keine Pflicht zur Vor- oder Nacharbeit

Es besteht weder eine Pflicht zur Vorarbeit noch zur Nacharbeit für die Schwangere. Die Zeiten der Abwesenheit wegen der Untersuchungen sind so zu werten als hätte die Schwangere in der Zeit gearbeitet. Ihr steht für diese Zeiten ja auch der Anspruch auf volle Zahlung des Lohns zu (vgl. § 23 Abs. 1 S. 2 MuSchG).

Keine Anrechnung auf Ruhepausen oder Urlaub und keine Verrechnung mit Überstunden

Die Zeit beim Arzt darf auch nicht etwa auf Ruhepausen (vgl. § 23 Abs. 1 S. 3 MuSchG) oder den Urlaub der Arbeitnehmerin angerechnet oder mit Überstunden verrechnet werden.

Keine Ansprüche bei Terminen außerhalb der Arbeitszeit oder nicht wahrgenommenen Terminen

Die Schwangere hat bei Wahrnehmung der Untersuchungen außerhalb der Arbeitszeit keine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber, dass er ihr dafür etwaige Arbeitsstunden gutschreibt oder Freizeitausgleich gewährt. Bei nicht wahrgenommenen Untersuchungen bestehen ebenfalls keine Ansprüche gegen den Arbeitgeber, dass z.B. frei gegeben wird, weil man ja die Zeit eh nicht gearbeitet hätte, wenn man tatsächlich die Untersuchung hätte durchführen lassen.

▌Nachweis der Untersuchung

Der Arbeitgeber hat das Recht, dass er einen Nachweis über die erfolgte Untersuchung verlangen kann. Die Kosten für eine Bescheinigung muss er allerdings selbst tragen (vgl. § 9 Abs. 6 MuSchG).

▌Verweigerung der Freistellung ist eine Ordnungswidrigkeit

Verweigert der Arbeitgeber eine Freistellung, begeht er sogar eine Ordnungswidrigkeit gem. § 32 Abs. 1 Nr. 4 MuSchG (bis zum 31.12.2017 § 21 Abs. 1 Nr. 7 MuSchG a.F.), die gem. § 32 Abs. 2 MuSchG mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro geahndet werden kann.


Das könnte Sie auch interessieren: