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Sachgrundlose Befristung -
Rechtsprechungsänderung des BAG zur Vorbeschäftigungszeit

Das BVerfG hatte im Juni 2018 entschieden, dass das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG bei sachgrundlosen Befristungen verfassungsgemäß ist und nicht – wie es das BAG bislang tat – so ausgelegt werden kann, dass eine weitere sachgrundlose Befristung zulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen derselben Arbeitsvertragsparteien ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt. Nun kam es mit Urteil vom 23.01.2019 – 7 AZR 733/16 zur Rechtsprechungsänderung des BAG zur sachgrundlosen Befristung.

BAG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16

Der Fall:

Der Kläger war in den Jahren 2004 und 2005 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten tätig. Im August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet für die Zeit bis zum Februar 2014 als Facharbeiter ein. Die Parteien verlängerten die Vertragslaufzeit mehrfach, zuletzt bis August 2015.
Der Kläger begehrte die gerichtliche Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis im August 2015 nicht geendet hat. Mit seiner Klage war er in allen drei Instanzen erfolgreich.

Die Argumentation des BAG:

Das BAG urteilte, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nicht zulässig ist, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Seine frühere Rechtsprechung zu länger als drei Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigungen gab das BAG – unter Berücksichtigung der Auffassung des BVerfG – ausdrücklich auf.

Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dieses Vorbeschäftigungsverbot soll der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten vorbeugen. Zudem dient das Verbot der sachgrundlosen Befristung dazu, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Frühere Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2011

Im Jahr 2011 hatte das BAG (Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09) entschieden, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen.

BVerfG: BAG (2011) hat die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -)  hat das BAG durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten. Der Gesetzgeber habe eine solche Karenzzeit, wie sie das BAG – letztlich nahezu generalisierend – angenommen hat, erkennbar nicht regeln wollen.

Auch nach BVerfG Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots bei Unzumutbarkeit möglich

Das BVerfG schließt eine Einschränkung des des Vorbeschäftigungsverbots nicht gänzlich aus. Die Fachgerichte können und müssen auch nach Auffassung des BVerfG den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist. Hier ist vor allem zu bewerten, ob im Einzelfall eine Gefahr der Kettenbefristung zu befürchten ist und ob das Verbot der sachgrundlosen Befristung erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, oder nicht. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Im vorliegenden Fall:
Keine Unzumutbarkeit und kein Vertrauensschutz wegen der früheren BAG-Rechtsprechung

Im hier vom BAG entschiedenen Fall handelte es sich nach Auffassung des Siebten Senats um keinen Fall der Unzumutbarkeit, die eine Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots erfordern würde. Das vorangegangene Arbeitsverhältnis lag zwar acht Jahre zurück. Diese Zeitspanne bewertete das BAG jedoch nicht als „sehr lang“. Es besteht zudem auch kein Vertrauensschutz für den Arbeitgeber, der eine Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vereinbart hat. Beim Abschluss von Verträgen hätte der Arbeitgeber die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass eine vom BAG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem BVerfG keinen Bestand haben könnte.


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