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Sachgrundlose Befristung -
BAG zur Vorbeschäftigung vor langer Zeit

§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG beinhaltet ein Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundloser Befristung. Dieses Vorbeschäftigungsverbot beim selben Arbeitgeber muss nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 06.06.2018 – 1 BvL 7/14; 1 BvR 1375/14) aber eingeschränkt werden, wenn es unzumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit kann vorliegen, wenn die Vorbeschäftigung schon sehr lang zurückliegt. Während das BAG in seinen Entscheidungen in der ersten Jahreshälfte 2019 Zeiträume von 5 1/2 Jahren (Urt. v. 23.01.2019 – 7 AZR 13/17), 8 Jahren (Urt. v. 23.01.2019 – 7 AZR 733/16) und 8 Jahren und 9 Monaten (Urt. v. 20.03.2019 – 7 AZR 409/16) dafür nicht ausreichen ließ, urteilte es nun, dass eine sachgrundlose Befristung bei einer Vorbeschäftigung vor 22 Jahren wirksam ist (Urt. v. 21.08.2019 – 7 AZR 452/17).

BAG, Urteil vom 21. August 2019 – 7 AZR 452/17

Der Fall:

Die Klägerin war von Oktober 1991 bis November 1992 bei der Beklagten als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt. Ab Oktober 2014 stellte die Beklagte die Klägerin als Telefonserviceberaterin im Servicecenter erneut ein. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst bis Juni 2015 sachgrundlos befristet und später bis Ende Juni 2016 verlängert.

Vor dem Arbeitsgericht Neumünster begehrte die Klägerin mit ihrer Klage die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung Ende Juni 2016 geendet hat. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG Schleswig-Holstein gab der Klägerin im Berufungsverfahren Recht. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten beim BAG hatte Erfolg: Die sachgrundlose Befristung ist wirksam.

 

Die Argumentation des BAG:

Das BAG urteilte, dass die Befristung des Arbeitsvertrags im vorliegenden Fall ohne Sachgrund wirksam ist.

Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dieses Vorbeschäftigungsverbot soll der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten vorbeugen. Zudem dient das Verbot der sachgrundlosen Befristung dazu, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Aber: Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG muss nach dem BVerfG verfassungskonform ausgelegt werden

Nach der Entscheidung des BVerfG vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) können und müssen die Fachgerichte jedoch den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Im vorliegenden Fall: Unzumutbarkeit Vorbeschäftigung vor 22 Jahren gegeben

Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann – im Einklang mit der Ansicht des BVerfG – u.a. insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt. Um einen solchen Fall handelt es sich nach dem BAG vorliegend, da die Vorbeschäftigung bei der erneuten Einstellung 22 Jahre zurücklag. Besondere Umstände, die dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG bestimmten Verbots gebieten könnten, liegen nach Ansicht des Senats nicht vor.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 29/19 des BAG vom 21.08.2019


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