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Elternteilzeit & Ablehnung -
Gründe im Ablehnungsschreiben bei Prozess ausschlaggebend

Wenn ein Arbeitnehmer eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit beantragt hat, der Arbeitgeber diese abgelehnt hat und der Arbeitnehmer nun dagegen klagt, kann der Arbeitgeber nicht jedwede der Elternteilzeit entgegenstehende Gründe für sich nutzbar machen. Nach dem BAG (Urt. v. 11.12.2018 – 9 AZR 298/18) kann er nur entgegenstehende Gründe einwenden, auf die er sich bereits in einem form- und fristgerechten Ablehnungsschreiben berufen hat. Bei einer unberechtigten Ablehnung der Elternteilzeit können zudem Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers entstehen.

BAG, Urteil vom 11. Dezember 2018 – 9 AZR 298/18

Der Fall:

Eine Arbeitnehmerin streitet mit ihrem Arbeitgeber über den Anspruch auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit während ihrer Elternzeit (Elternteilzeit) gem. § 15 Abs. 5-7 BEEG. Die Klägerin ist seit März 2012 bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden tätig. Sie nahm vom 7. April 2015 bis zum 6. April 2017 Elternzeit in Anspruch. Mit Schreiben vom 8. Juli 2016 beantragte die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ab dem 1. November 2016 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden einschließlich der gewünschten Verteilung der Arbeitszeit. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 11. Juli 2016 zunächst ohne nähere Begründung und mit weiterem Schreiben vom 22. Juli 2016 unter Hinweis darauf ab, dass der Arbeitsplatz für die Dauer der Elternzeit durch den Mitarbeiter H besetzt worden sei und darüber hinaus kein Beschäftigungsbedarf bestehe. Nachdem eine Kollegin aus der Abteilung der Klägerin ihr Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 1. August 2016 erneut die Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Im Ablehnungsschreiben vom 19. August 2016 unterbreitete sie der Klägerin aber ein Angebot über eine geringer vergütete Teilzeitbeschäftigung als Sachbearbeiterin in einem anderen Bereich, das diese ablehnte.

Die Arbeitnehmerin reichte daraufhin Klage beim Arbeitsgericht ein, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zu ihrem Angebot vom 8. Juli 2016, hilfsweise dem vom 1. August 2016 begehrte. Das Arbeitsgericht entschied zugunsten der Klägerin und gab ihrem Hauptantrag – Zustimmung zum Angebot vom 8. Juli – statt. Die Beklagte ging sodann in Berufung vor dem Landesarbeitsgericht. Das LAG änderte das Urteil des Arbeitsgerichts ab und wies die Klage als unzulässig ab. Es war der Ansicht, dass bei der Klägerin kein Rechtschutzbedürfnis für ihre Klage bestehe, da der gesamte Zeitraum, für den sie die Vertragsänderung auf Teilzeit erstrebte, bereits in der Vergangenheit liege. Die Klage sei letztlich objektiv sinnlos. Die Klägerin legte gegen das Urteil des LAG Revision beim Bundesarbeitsgericht ein – mit einem gewissen Erfolg.

Die Argumentation des BAG:

Das BAG nahm das Vorliegen des Rechtschutzbedürfnisses trotz der inzwischen beendeten Elternzeit an, so dass nach Zurückverweisung an das LAG dieses inhaltlich neu über den Fall zu entscheiden hat. Darüber hinaus machte das BAG Ausführungen dazu, welche angeführten Gründe des beklagten Arbeitgebers für die Ablehnung des Elternteilzeitantrags bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Ablehnung nur berücksichtigt werden dürfen.

Inzwischen beendete Elternzeit lässt Rechtschutzbedürfnis für eine Klage nicht automatisch entfallen

Zunächst stellte das BAG – unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung1 – klar, dass der auf Zustimmung zur Elternteilzeit gerichteten Klage nicht bereits deshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil die Elternzeit inzwischen beendet ist. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verlangt das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Inanspruchnahme der Gerichte. Es fehlt, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Die Klägerin nehme die Gerichte mit ihrer Klage nicht unnütz in Anspruch. Es könnte nämlich ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehen, wenn die Ablehnung des Elternteilzeitantrags zu Unrecht erfolgt sein sollte. Das Bestehen eines Anspruchs auf Zustimmung zur Elternteilzeit stellt eine materiell-rechtliche Vorfrage für einen Schadensersatzanspruch dar. Somit besteht das Interesse der Klägerin an einer inhaltlichen gerichtlichen Entscheidung auch nach Ablauf der Elternzeit noch fort.

Möglicher Schadensersatzanspruch bei unberechtigter Ablehnung

Sofern die gerichtliche Prüfung der Ablehnung des Teilzeitantrags ergeben sollte, dass diese zu Unrecht erfolgt ist, kann vom Arbeitgeber Schadensersatz verlangt werden. Mit Rechtskraft eines solchen obsiegenden Urteils würde die erstrebte Zustimmung des Arbeitgebers zur Elternteilzeit als abgegeben gelten (§ 894 S. 1 ZPO). Dies wiederum hat zur Folge, dass dadurch eine rückwirkende Vertragsänderung ausgelöst wird, d.h. die Vergangenheit so behandelt wird, als wäre es zu einem ordnungsgemäßen Elternteilzeit-Arbeitsverhältnis gekommen. In diesem Arbeitsverhältnis konnte – wegen der unberechtigten Verweigerung – jedoch nicht gearbeitet werden, was zur Folge hat, dass die Arbeitnehmerin kein Geld verdienen konnte und der Arbeitgeber keine Arbeitsleistung erhalten hat. Da der Arbeitgeber aber mit seiner unberechtigten Ablehnung der Elternteilzeit diese Unmöglichkeit (§ 275 BGB) der Arbeitsleistung selbst zu verantworten hat, bleibt der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmerin erhalten.2 Ihr steht dann als Schadensersatzanspruch gem. § 611a Abs. 2, § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 iVm. § 275 Abs. 1 BGB der Vergütungsanspruch für diese Zeit zu, auch wenn der Arbeitgeber keine Arbeitsleistung erhalten hat.

Maßgaben für die Überprüfung der Ablehnung

Wenn es zu einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung kommt, muss beurteilt werden, ob dem Anspruch der Klägerin dringende betriebliche Gründe entgegenstehen (vgl. § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BEEG). Zudem muss die Ablehnung form- und fristgerecht erfolgt sein.

Vorliegen dringender betrieblicher Gründe

An das objektive Gewicht der Ablehnungsgründe sind erhebliche Anforderungen zu stellen. Dies verdeutlicht bereits der Begriff „dringend”. Mit ihm wird ausgedrückt, dass eine Angelegenheit notwendig, erforderlich oder auch sehr wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen mithin von erheblichem Gewicht sein. Sie müssen sich nach der ständigen Rechtsprechung des BAG gleichsam als zwingende Hindernisse für die beantragte Elternteilzeit darstellen.3

Ablehnung des Elternteilzeitantrags einschließlich Begründung muss schriftlich erfolgen

Die Ablehnung von Elternteilzeitanträgen bedarf nach § 15 Abs. 7 S. 4 BEEG der schriftlichen Begründung innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Elternteilzeitantrags. Das bedeutet, dass die Ablehnung unter Einhaltung der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB erfolgen muss. Dies erfordert zwingend die Unterzeichnung durch eigenhändige Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens.

Inhaltliche Anforderungen an die Begründung der Ablehnung

In seinem Ablehnungsschreiben hat der Arbeitgeber den wesentlichen Kern der betrieblichen Hinderungsgründe zu benennen. Er muss die Tatsachen mitteilen, die für die Ablehnung maßgeblich sind. Es bedarf nach dem BAG dazu aber weder einer „schlüssigen” noch einer „substanziierten” Darlegung.4

Achtung: Für Prozess sind nur Gründe relevant, die in form- und fristgerechten Ablehnungsschreiben genannt wurden!

Das BAG stellt in seiner Entscheidung klar, dass der Arbeitgeber sich im Prozess nur auf solche Gründe stützen darf, die er bereits in einem form- und fristgerechten Ablehnungsschreiben genannt hat. Dies folge aus der Auslegung des § 15 Abs.7 S. 4 BEEG. Zwar regele diese Bestimmung nicht ausdrücklich, dass der Arbeitgeber mit Ablehnungsgründen, die er im Ablehnungsschreiben nicht bezeichnet hat, in einem späteren Rechtsstreit präkludiert ist [Anm.: Juristen nennen es „präkludiert“, wenn etwas zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr geltend gemacht oder eingebracht werden kann].

Annahme einer solchen Präklusion stößt nach dem BAG auf keine rechtlichen Bedenken

Nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 7 S. 4 BEEG „muss“ der Arbeitgeber die Ablehnung mit einer schriftlichen Begründung versehen. Durch die Verwendung des Wortes „muss“ habe der Gesetzgeber die besondere Bedeutung der Begründungspflicht hervorgehoben. Dies spreche dafür, dass deren Verletzung nicht ohne prozessuale Folgen bleiben soll. Der Annahme einer solchen Präklusion stehe auch die Gesetzessystematik nicht entgegen. Zudem sei es Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der Arbeitgeber in einem Rechtsstreit dem Elternteilzeitbegehren nur solche Gründe entgegensetzen kann, auf die er sich bereits in dem form- und fristgebundenen Ablehnungsschreiben berufen hat. Das BAG führt diesbezüglich aus: „Das Begründungserfordernis verlangt vom Arbeitgeber die frühzeitige Prüfung, ob und ggf. welche Gründe der begehrten Elternteilzeit entgegenstehen und ob diese zwingende Hindernisse im Sinne eines dringenden betrieblichen Grundes nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG darstellen. Dadurch soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung vorschnell oder mit einer nur vorgeschobenen Begründung abwehrt. Die schriftliche Begründung soll zugleich den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, die Chancen einer streitigen Durchsetzung des Verringerungsanspruchs zu beurteilen (..). Bliebe eine unvollständige oder unrichtige schriftliche Begründung folgenlos oder verwiese man den Arbeitnehmer bei einem Verstoß gegen das Begründungserfordernis allein auf Schadensersatzansprüche (…), würde dieser Zweck vereitelt. Der Arbeitnehmer könnte dadurch von der Durchsetzung seines Primäranspruchs abgehalten werden. Der gesetzgeberische Zweck, dem Arbeitnehmer durch die schriftliche Begründung der Ablehnung eine tatsachenbasierte Beurteilungsgrundlage zu verschaffen, die Erfolgsaussichten einer Klage auf Zustimmung zur begehrten Elternteilzeit überprüfen zu können, lässt sich nur wirkungsvoll erreichen, wenn der Arbeitgeber im späteren Prozess die von ihm begehrte Klageabweisung nur auf solche Gründe stützen kann, die er dem Arbeitnehmer zuvor nach § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG mitgeteilt hat.

1 Vgl. BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 461/11 – Rn. 10, BAGE 144, 253; 15. Dezember 2009 – 9 AZR 72/09 – Rn. 25 mwN.
2 Vgl. BAG 27. Februar 2018 – 9 AZR 167/17 – Rn. 23; 19. August 2015 – 5 AZR 975/13 – Rn. 25 f.
3 Vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen: BAG 15. Dezember 2009 – 9 AZR 72/09 – Rn. 45 ff.; 5. Juni 2007 – 9 AZR 82/07 – Rn. 48 ff., BAGE 123, 30.
4 Vgl. BAG 5. Juni 2007 – 9 AZR 82/07 – Rn. 66, BAGE 123, 30.


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